Tim Romanowsky

Der digitale Zeichentrickfilm NODON von Tim Romanowsky führt den Betrachter in einen auf eigenartige Weise belebten Bildraum. Alles scheint in flux, jederzeit wandelbar. NODON erzählt nicht. Vielmehr gibt es einen Rahmen, einen Film-Frame, in dem sich beständig etwas tut – und nicht zu vergessen: einen grauen Hintergrund, vor dem sich etwas tut: Rotes, Braun-Gelbes und Blaues. Aus der Agilität der Linie heraus entwickeln sich Formen und Farben. Elemente lösen sich aus der Bildkomposition, werden zu Protagonisten, horchen, schleichen und schauen, um wieder bloße Form zu werden und sich in ein neues grafisches Gefüge einzugliedern. Wir beobachten sie dabei, wie sie sich herausbilden, fortbewegen und verändern. Sie gleiten durch einen sich ebenfalls in ständiger Wandlung befindlichen Umraum, der zugleich Landschaft, urbaner Raum und grafische Komposition ist.

Die drei Wesen in ihrem je eigenem Farbraum sind wesenhaft, bleiben aber rätselhaft, erklären sich nicht und werden auch nicht erklärt. Es sind geometrisierte Gestalten, die etwas cartoon-haftes an sich haben. Im Gegensatz zu Cartoon-Figuren es ist jedoch kaum möglich, ihnen klare Charakter-Eigenschaften zuzuschreiben. Ähnlich wie uns scheint sich ihnen ihre Umgebung nicht ohne Weiteres zu erschließen. Sie bewegen sich geschäftig voran, aber nie ohne eine gewisse Vorsicht. Es wird erkundet, es wird wahrgenommen: Augen suchen nach Orientierung. Finger tasten ihre Umgebung ab. Eine Zunge schleckt an einem Stein. Eine Farb-Gestalt wittert die andere, nicht ohne ein gewisses Misstrauen.

Schließlich treffen sie in einem grauen Innenraum aufeinander und suchen nach einer gemeinsamen Konstellation, nach ihrem Platz im Bildraum, immer im Bemühen, sich voneinander abzugrenzen – denn würden sie sich vermischen, würden sie zu grau. Ist es ein Kampf gegeneinander, oder ist es ein Tanz miteinander? Ermüdend viele Konstellationen von Farben, Formen und Größenverhältnissen scheinen möglich. Die Anstrengung endet in einem rauschhaften Farbensog, der an die Kamerafahrt in Kubricks »2001: Space Odyssey« erinnert – und damit endet auch der Film, im Dunkelgrau.

Tim Romanowsky führt uns hinter die Kulissen einer Welt, mit der sich Künstler und Gestalter täglich auseinandersetzen: die der Farben und Formen. Diese scheinen oft, wie die Protagonisten in NODON, ihre eigenen Vorstellungen zu haben, sich zu verselbständigen und anders zu verhalten, als die erste bildgebende Idee es vermuten lässt. Schlimmer noch: im Prozess des einzelbildweisen Animierens der Formen tendieren sie dazu, sich zu widersetzen und eigene Wege der Deformation zu suchen. Vielleicht sollten wir ihnen eher beim Werden zusehen, als beständig einzugreifen und ihre Suche zu stören?

Film NODON | 2019

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Tim Romanowsky (1981) ist ein Künstler und Animator aus Leipzig. Er arbeitet an künstlerischen Animationsfilmen und Auftragsarbeiten. Unter dem Label LORO (mit Stefhany Y. Lozano) publiziert er regelmäßig Graphic-zines mit seinen Arbeiten und zeigt sie in Ausstellungen in Leipzig, Berlin, Antwerpen, Seoul, …