Tim Romanowsky
Du bist in Malerei, der Zeichnung und der Animation tätig. Dabei arbeitest Du sowohl mit analogen als auch digitalen Werkzeugen. Welchen Stellenwert hat die Zeichnung für Dich als Mittel, Deine Ideen zu entwickeln / Dich künstlerisch auszudrücken? Was kann Zeichnung, was andere Medien nicht können?
Zeichnung spielt definitiv eine wichtige Rolle. Ohne sie ginge es gar nicht. Es gehört einfach dazu und ist oft der Ursprung für…naja…eigentlich fast alles. Wenn ich meine Zeichenbücher durchgehe, entdecke ich Ideen für Kompositionen, eine Reihe für eine Publikation oder eben Animationen. Das ist oft sehr rudimentär und kann auch nur eine Form sein, die mir gefällt oder eben eine Figur. Ich benutze die Zeichnungen aber selten als direkte Skizzen. Es ist mehr etwas Eigenständiges. Eine Sammlung, auf die ich jederzeit zurückgreifen kann, um neue Arbeiten anzustoßen. Das Schöne ist natürlich, dass es überall möglich ist und ich in den Werkzeugen springen kann. Aber inzwischen hat sich ein wiederholendes Set-Up mit den einfachsten Mitteln eingeschlichen. Skizzenhefte mit gelbem Papier, Tintenfineliner und Edding.
Wie stehen Malerei, Zeichnung, Comic und Animation in Deiner Arbeit zueinander im Verhältnis? Bedingen sie sich gegenseitig?
Ich glaub, erstmal muss ich Comic etwas ausklammern. Da gibt es natürlich ein Interesse, aber ich benutze es nicht wirklich als Mittel. Man ist dann auch schnell bei Storyboards oder Geschichten erzählen. Und diese Bereiche versuche ich immer irgendwie zu brechen oder zu umschiffen.
Inzwischen bedingen sich alle Bereiche. Ich springe zwischen allen und sehe da auch keine Grenzen mehr. Das war ein sehr befreiender Schritt. In den Prozessen selbst gibt es natürlich Grenzen, bzw. bin ich hier noch nicht an dem Punkt, das alles komplett verschmilzt. Das ist vielleicht eine Baustelle, die mich lange begleitet, aber das ist auf jeden Fall auch eine Bereicherung und Ansporn für Neues.
Bereits während Deines Studiums der Bildenden Kunst hast Du angefangen, Dich mit Animation zu beschäftigen. Kannst Du etwas darüber sagen, warum Animation für Dich an einem bestimmten Punkt notwendig oder interessant wurde?
Genau, ich habe an der Kunsthochschule Kommunikationsdesign mit Schwerpunkt Illustration studiert. Dort kam ich dann auch das erste Mal mit bewegten Zeichnungen in Berührung. Naja, und dann war es eigentlich dieser Moment, den wahrscheinlich jeder kennt, wenn man das erste Mal eine eigene Zeichnung bewegt. Da eröffnen sich dann so viele neue Ansätze und Ideen. Das kann auch schon mal etwas zu überwältigend sein. Dazu kommt die Erkenntnis, wieviel Arbeit dahinter steckt. Ich hatte dann auch relativ schnell einen Punkt, an dem ich von den Prozessen (Figuren, Geschichten,…) etwas gelangweilt war. Ich glaub da war dann auch wichtig, dass ich immer versucht hab, neue Arbeiten und Künstler für mich zu entdecken. Welten zu verbinden. Das gab mir dann wieder genug Ansporn. Es muss nicht alles so schematisch sein, Filmarbeiten müssen nicht zwingend Geschichten erzählen oder unterhaltend sein. Mein Professor Georg Barber / Atak und die Animatorin Kathi Käppel haben mich damals auch super dabei unterstützt und mir neue Wege aufgezeigt. Es tat gut, dass sie nicht von einem technischen Animationshintergrund kommen und so die Arbeiten anders bewerten.
Zeichnen ist eine sehr direkte Art, sich künstlerisch auszudrücken. Wie stehst Du dem technischen »Überbau« gegenüber, den die Produktion eines Animationsfilms mit sich bringt? Sieht Du ihn einfach als Erweiterung Deiner Möglichkeiten oder engt er auch ein?
Oft versuche ich auszublenden, dass man so wahnsinnig viel vorher bedenken kann. Man muss es aber nicht. Wie du oben schon erwähnst, springe ich in den Arbeitsbereichen und kann mir damit ganz eigene Abläufe schaffen. Ich möchte mich natürlich so wenig wie möglich einengen, aber gewisse Regeln oder Umstände kommen bei einer Produktion einfach auf dich zu. Davon ist der einfachste wahrscheinlich, dass man irgendwann fertig werden muss. Zurück zur Frage. Ich bin mir der technischen Abläufe weitestgehend bewusst und versuche sie so gut es geht zu integrieren. Aber ohne in eine Routine zu verfallen oder mich damit zu belasten.
Würdest Du sagen, dass Du Dich dem Zeichenprozess anders näherst, wenn Du Zeichnungen für eine Animation erstellst? Ändert sich Deine Zeichenstrategie?
Anders nähern ist vielleicht zu viel, aber im Prozess passe ich mich natürlich an, um voranzukommen oder ich übersetze Dinge anders. Zum Beispiel habe ich mich lange vor digitalen Prozessen gesträubt, bzw. haben sie mich nicht interessiert. Dann gab es durch Auftragsarbeiten einen Bruch und inzwischen habe ich da keine Berührungsängste mehr. Es ist eine technische Erweiterung oder Erleichterung, jedoch habe ich immer den Blick auf meinen Hintergrund und ein eher analoges Denken.
Welche Relevanz haben konventionelle Zeichentrickregeln für Deine filmischen Arbeiten? Beziehst Du sie mit, missachtest Du sie bewußt?
Ich würde nicht sagen, dass ich sie missachte. Das wäre zu viel und macht auch an manchen Punkten keinen Sinn. Ich biege sie mir zurecht. Die Arbeit selbst ist ja meistens sehr monoton und gewisse Regeln erleichtern es mir oder führen zu besseren Ergebnissen, wenn man sie etwas mitdenkt.
Aber ich muss auch sagen, dass es hinderlich ist, wenn man einfach Lust hat etwas zu animieren, aber erstmal 5 Wochen ein Storyboard zeichnen muss, weil es dazugehört. Dieses Quälen durch Prozesse muss nicht sein und engt dann auch ein.
Hast Du eigene Regeln oder Strategien entwickelt, wie Du Deine Zeichnungen in Bewegung setzt?
Oh. oft oder fast immer passiert mir der alte Anfängerfehler, dass ich einfach vorne anfange und weiter geht es mit dem nächsten Bild. Dadurch bekommen die Sequenzen eine unbeholfene Steife. Daraus hat sich dann wahrscheinlich mein Interesse zu eher weichen Animationen entwickelt. Und jetzt versuch ich oft, beide gegenüberzustellen oder zu kombinieren.
Dazu kommt, dass ich eigentlich nie korrigiere. Aus verschiedenen Gründen. Hauptsächlich, um mir eine Direktheit des Moments zu wahren. Es ist natürlich bei digitalem Arbeiten verlockend, einfach einen zweiten oder dritten Versuch zu machen, aber es wird mir dadurch zu kontrolliert und zu beliebig. Ich finde es erfrischend, ein paar Fehler im Film zu sehen und eine Art Unberechenbarkeit auch zu zeigen.
Du arbeitest an eigenen Projekten, animierst aber auch für Aufträge. Würdest Du sagen, dass sich die Arbeitsweise an Deinen künstlerischen Projekten von konventionellen Produktionsmethoden unterscheidet?
Ja. Definitiv. Das würde gar nicht anders funktionieren.
Dafür sind diese ganzen Regeln ja gut. Dass man mit einem Team arbeiten kann und das Gegenüber das gleiche Verständnis für Abläufe hat bzw. weiß, warum das jetzt so funktioniert und was als nächster Schritt kommt. Es ist einfach sehr hilfreich, wenn jeder die Abläufe einigermaßen kennt und man die einzelnen Schritte nach außen kommunizieren kann.
Wie bereitest Du einen Film vor? Wie detailliert bereitest Du ihn vor, wie viel Freiheit brauchst Du?
Zunächst ist meist der Versuch, mir Material zu schaffen. Das muss eine gewisse Qualität haben, dass ich darin etwas sehe, was mich zum nächsten Punkt bringt. Wenn das einmal läuft, dann hangele ich mich so von Schritt zu Schritt. Oft greifen die Prozesse auch ineinander oder ich gehe nochmal zurück. Das ist meist sehr organisch. Unter Umständen entstehen da auch völlig andere Projektideen. Inzwischen habe ich auch gelernt zu akzeptieren, wenn etwas stockt oder nicht mehr funktioniert, ganz bewusst woanders weiterzumachen und diese offenen Enden dann bestenfalls miteinander zu verknüpfen. Manchmal sind sie auch sehr weit voneinander entfernt, da ist es dann eine Herausforderung, den Kontakt zu machen. Aber das gehört alles dazu und wird in das Arbeiten integriert.
Zeichentrick ist in der Regel arbeitsaufwändig. Bindest Du andere bei der Produktion Deiner Filme mit ein?
In der Situation bin ich noch nicht gewesen. Bei manchen Techniken kann ich es mir schon vorstellen.
Meine Arbeiten sind aber meist sehr grafisch und linienbetont. Da stell ich mir etwas seltsam vor, wenn jemand die Zeichnungen macht.
An welchem Projekt arbeitest Du zur Zeit?
Gerade habe ich mich etwas mit digitaler Malerei/Zeichnung beschäftigt. Das war ein ganz witziger Ausflug um zu sehen, wie eine Übersetzung meiner analogen Malereien auf einem Tablett mit einem digitalem Stift funktionieren. Das ging eigentlich auch ganz gut. Ich fand vor allem verrückt, in welchen Dimensionen man dann denkt. Ich kann alles unendlich vergrößern. Das Format ist nicht mehr gegeben. Man hatte zigtausend Pinsel. Da musste ich mir auch erstmal ein paar Regeln machen, um irgendeinen Halt zu haben. Ob und wie ich da jetzt weitermache weiß ich gerade noch nicht. Ich fand es eine gute Ergänzung und bestenfalls kann man diese digitalen Bilder dann wieder in ein analoges übersetzen.
Ein Projekt, auf das ich mich schon sehr freue und das auch schon viel zu lang herumliegt, ist ein Musikvideo für eine befreundete Künstlerin. Ich habe schon ein wenig angefangen, eine Bildwelt aufzubauen und werde auch bald intensiv daran animieren. Es gibt ein paar Bildideen, die sich dann im Arbeiten ergänzen und ausbauen. Ich hoffe das wird ganz schön.
Über einen neuen Film hab ich noch nicht nachgedacht. Die beiden Letzten lagen mit 5 Jahren ziemlich weit auseinander. Sind dann aber auch in ihrer Ästhetik und Machart völlig verschieden. Das fand ich ganz gut. Mal schauen was passiert.
Tim Romanowsky (1981) ist ein Künstler und Animator aus Leipzig. Er arbeitet an künstlerischen Animationsfilmen und Auftragsarbeiten. Unter dem Label LORO (mit Stefhany Y. Lozano) publiziert er regelmäßig Graphic-zines mit seinen Arbeiten und zeigt sie in Ausstellungen in Leipzig, Berlin, Antwerpen, Seoul, …