Karolina Głusiec

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Ein gezeichneter Film setzt sich aus unzähligen Zeichnungen zusammen. In Karolina Głusiec’s Kurzfilmen sind diese als solche stets präsent. Mal lösen sie sich auf im sequenziellen Bewegungsfluss, mal korrespondieren sie miteinander, um erneut aufzutauchen und sich voneinander abzusetzen. In ihrem Film »The Fool« erscheinen sie gar als Bild im Filmbild oder als Skizze im Skizzenbuch und bilden so einen lebendigen Dialog zwischen Zeichnung und Film.

 

Karolina Głusiec zeichnet Beobachtung auf. Im Film rekonstruiert sie das Zeitgefühl beobachteter Momente, ohne ihnen eine klare narrative Richtung zu unterstellen und ihnen damit ihre Flüchtigkeit zu nehmen. Ihre Skizzen vergegenwärtigen dem Betrachter die Zeichenbewegung, aus der heraus sie entstehen. In ihnen scheinen die Impulse gespeichert, die sich zwischen dem ergeben, was sich vor dem inneren oder äußeren Auge zeigt und dem Vorgang der Übertragung aufs Papier. Ein Prozess ständigen Suchens, Werdens, Sich-Öffnens und Entfleuchens.

Karolina Głusiec gelingt es, ihren filmischen Arbeiten den Reiz der Unmittelbarkeit und Durchlässigkeit zu erhalten, den eine Skizze ausstrahlt. Es scheint, als würde die Künstlerin den Zeichnungen nicht vorgeben wollen, wie und wohin sie sich zu bewegen hätten. So wie der Vorgang des Skizzierens von Unsicherheit und Fragilität geprägt sein kann, trägt Karolina Głusiec diese Qualitäten hinein in den Bereich des Filmischen. Jede Zeichnung ist agil, tastet ihren zeitlichen Um-Raum ab, geht verschiedene Konstellationen ein.

 

Das Format des Films wird von der Zeichnerin als ein Zeit-Raum gestaltet, der nicht nur die Zeitachse von Anfang bis Ende abschreitet, sondern Querverbindungen schafft und so in die Tiefe begehbar ist. Die Zeichnungen erzeugen ein Netz multiperspektivischer Bedeutungsebenen, indem sie in der Verschränkung mit anderen Einzelbildern verschiedene Möglichkeiten der Animation austesten: Animation verstanden als belebte Beziehung von Figur und Raum, die Geschehen und Erinnerungen evoziert und die einzelne Zeichnung im Bildfluss verschwinden lässt. Aber auch Animation verstanden als Belebung der Vorstellungskraft, als Anregung, assoziative Bezüge der Bildmotive untereinander herzustellen und so eine facettenreiche Mehrdeutigkeit zu schaffen. Musik und Voice-Over Texte, beispielsweise in ihrem Film »Velocity«, begleiten den Film und treten in Dialog mit dem Betrachter, um visuelle Eindrücke von Präsenz und Flüchtigkeit der Zeit und des Erinnerns zu vertiefen. So entsteht ein Raum-Zeit-Gespür für den tastenden Vorgang des Skizzierens und die Vergegenwärtigung vom stets flüchtigen Moment.

 

Das Prinzip des Schnitts wendet Karolina Głusiec nicht allein auf Filmszenen an. Sie trägt die Logik des Filmschnitts bis hin zum Einzelbild und nutzt auf diese Weise den filmischen Zeit-Raum als offenes Forschungsgebiet für die Zeichnung. Dabei orchestriert Glusiec das Verhältnis von Bildfluss und Bildstakkato, Motiv und Variation so gekonnt, dass die Unmittelbarkeit von Zeitlichkeit als solche spürbar wird. Alles passiert, während nichts geschieht.

Film Dureń (Der Narr) | 2020

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Karolina Głusiec ist eine Bildende Künstlerin, die hauptsächlich im Bereich der Animation und DIY Filmmedien arbeitet. In ihrer Arbeit sowie ihrer Lehrtätigkeit im Bereich Zeichnung und Animation setzt sie sich hauptsächlich mit Formen des Schauens und Erinnerns auseinander. Karolina Głusiec arbeitet derzeit an einem Promotionsvorhaben zum Verhältnis von Kommunikation, Material und Immaterieller Erinnerung.